05.12.2015 Tagebucheintrag
Jürgen Fliege

La Palma, Adventskranz aus Totenlichtern

Im Supermarkt habe ich mir vier rote Totensonntagskerzen für den Friedhof besorgt. Ich will einen Adventskranz mit dicken roten Kerzen. Und statt Tannengrün habe ich alle Früchte des Gartens zu einem Kranz auf dem Tisch draußen drapiert. Was anfänglich irgendwie verrückt daherkam, macht auf einmal Sinn. Mir kommt in den Sinn, das heute der Geburtstag meines Lehrers und Freundes Peter Beier ist. Er starb mit 62 Jahren und würde heute wohl achtzig. Ich liebe und verehre ihn bis heute. Tränen rinnen leise die Wange runter, ich schniefe. So groß die Liebe, so groß der Schmerz. Also brennt die erste rote Adventskerze für ihn. Und als das Licht leuchtet, erinnere ich mich, dass meine Großmutter väterlicherseits auch heute Geburtstag hätte. Wie alt würde die denn, wo ihr erster Sohn, mein Vater, schon 103 wäre? Ich war nicht ihr bevorzugtes Enkelkind. Sie suchte sich den unter meinen Geschwistern, Nichten und Neffen, der wie ein schwarzes Schaf in der Herde stand. Dann brennt das Licht auch für sie, meine Seelsorgegroßmutter mit dem feinfühligen Herzen. Sie war eine große Köchin! Ich werde in diesem Jahr zu Weihnachten ihren Salat, den „Fliege-Weihnachtssalat“ kochen. Für unsere große Familie war das ein Kilo Kalbsbraten, ein Topf Pellkartoffeln, zwei Gläser rote Beete, ein Glas Gurken, ein Glas Preiselbeeren, sechs Eier, Mayo, Haselnüsse, Zitrone, süße Sahne und Salz und Pfeffer. — Hoppla! Mein neuer Schwiegervater hätte heute auch Geburtstag. Meine Frau wird ihn auf dem Friedhof besuchen, wohin wir ihn im März trugen. Im Advent kommen aus der Dunkelheit die Toten gerne und suchen sich ein Plätzchen in unserem Herzen. Sie bringen Wärme mit. Oder ist das nur das warme Frühlingswetter auf der Insel des ewigen Frühlings?