29.07.2021 Tagebucheintrag

Jürgen Fliege, La Palma

Liebe Schwestern und Brüder,
das ist hier keine handelsübliche Anrede, um erst dann zu den wichtigen Dingen zu kommen. Das Wichtigste meiner Rede von heute ist schon diese Anrede. Denn diese Sicht auf uns, diese Selbstreflexion, dieses bei sich und uns anfangen und eben nicht bei den anderen, das ist ja genau die Dimension, die wir in den vergangenen Jahren, Jahrzenten, Jahrhunderten mit zunehmender und wachsender Scham verloren haben. Als uns unsere kluge allein wissenschaftsorientierte Kultur in den dicken Kopf stieg haben, wir bei diesem Karriereschritt Europas unser großes Herz verleugnet. Wir meinten doch tatsächlich, es nicht mehr zu brauchen und es beiseite legen zu können: Das große wärmende Gefühl zusammen unterwegs zu sein als Schwestern und Brüder!

Das war ein Schnitt, ein Abschnitt in den Lebensfaden der Menschen! Abgeschnitten waren auf einmal nicht mehr Schwestern und Brüder.

Schwester und Bruder! Das war ja den Revolutionären auf den Barrikaden von Paris, anno 1789 noch total gegenwärtig. Liberte, Egalite, Fraternite. Da interpretierte noch das eine das andere. Und genau da in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit legten sie den Grundstein für ein neues Zusammmenleben in einer neuen Zeit. Es sollte eine Freiheit, eine Gleichheit, eine Demokratie der Gleichen, der Schwestern und Brüder sein. Und nur so zeigt sich ja dann auch, was es denn bedeutet, sich als Schwester und Bruder zu fühlen im politischen Kontext. Was ist denn Freiheit? Was ist denn Gleichheit? Was ist denn Geschwisterlichkeit? Nicht im Kopf! Im Herzen! Im Gefühl! In der Seele! Ist da noch was oder ist da nichts mehr? Spürt dem mal nach! Als gefühlte Schwestern und Brüder definieren wir Freiheit anders als Bürger, Konsumenten, Politiker und Lobyisten. Als Schwestern und Brüder ist die Freiheit, die wir meinen, hier spürbar, an unserem Herzen, hier an unserer Geschwisterlichkeit, an unserem Ursprung.

So einfach ist das, wenn wir nicht mit Paragrafen und Definitionen, sondern erst einmal mit Gefühl, mit Herz und Verstand an diese große Sache herangehen, unsere Welt wieder vom Kopf auf die Füße unserer Herzens zu stellen. Diese alte neue Sicht nennen wir Freiheit. Die gegenseitig empfundene Freiheit der Schwestern und Brüder. Die Wieder-Entdeckung dieser Freiheit muss manchen Stolz überwinden und manches Ego schleifen. Das ist eben nicht die Freiheit einer FDP, die das möglichst grenzenlose Ausleben von Interessen als Freiheit begreift. Grenzenlos deshalb, denn da kommen die meisten Schwestern und Brüder unter die alles zermalmenden Räder des Giersystems, genannt Kapitalismus. Da wohnt die Freiheit nicht im Herzen. Aber ganz in der Nähe zum verwechseln nah. Da wohnt sie in der Brieftasche.

Liebe Schwestern und Brüder, wie ist das eigentlich, wenn wir das hören und zu uns sagen? Schwester, Bruder? Wie ist das, wenn wir das irgendwo in der Welt hören? Wenn unsere farbigen afroamerikanischen Mitbürgerinnen, Christen und was weiß ich welcher Gemeinschaft sie angehören, die wir jetzt und in aller Zukunft auch Schwestern und Brüder nennen, wenn die sich so begrüßen? Ist das peinlich, stößt das auf ein verschämtes Schweigen und mildes Verstehen bei uns, oder schwingt da auch ein Gefühl von Trauer oder Neid mit, dass die sich was bewahrt haben, was wir im Taumelt der industrialisierten Individualisierung meinten hinter uns lassen zu können? Schwingt da nicht tatsächlich eine Trauer über den Verlust eines Zusammenhalts mit? Eine Verbundenheit, die wir auch verloren haben? Schwingt da nicht Herz mit, wenn sie sich so nennen und umarmen? Schwingt da nicht auch ein Zusammenstehen mit, was wir verloren haben?

Das lässt sich mit „Genosse und Genossin“ nicht aufwiegen. Das sind Kampfbegriffe und keine Liebesbezeugung. Da spürt man die Front, an die man sich gegenseitig karrt, um zu kämpfen und zu fallen, „Seit an Seit“. Das sind keine Schwestern und Brüder, weil sie ihre Augen voller Feindbilder haben. Über „Parteifreunde“ will ich in diesem Zusammenhang gar nicht nachdenken. Das tun die ja schon selber, wenn die CDU/CSU Parteifreunde in unmittelbarer Nähe zu Feind verortet.

Nein! Lasst uns das hinter uns lassen. Lasst uns das Hören, aber nicht gehorchen. Lasst uns das zur Kenntnis nehmen, aber nicht imitieren. Es sind Laute wie aus dem Geschichtsbuch. Anreden von Gestern. Schwester und Brüder! Um nun mal mit euch ins Risiko des Verstandenwerdens zu gehen- Eine Probe aufs Exempel: Wie ist das denn, wenn auch unsere islamischen Schwestern und Brüder sich so nennen und sich so auf den Straßen Berlins begrüßen? Ist das wirklich nur Mittelalter? Spürt dem doch mal nach! Da ist doch Nähe! Da ist doch Anerkennung!

Wir müssen, wenn wir denn die Menschheit in eine andere neue Zeit führen wollen, uns dieser alten, uralten, religiösen, ja universal spirituellen Tradition erinnern. Ohne diese spirituelle Wurzel kommen wir nicht weiter. Wir müssen in dieser Krisenzeit unsere Verbundenheit, unsere Herzen, unsere Seelen neu entdecken oder unter dem Misthaufen von Konsum und seinen Konsumenten, von Käufern und Verkäufern, wieder hervorkramen wie Ladenhüter. Die neue Zeit wird nur dann eine neue Zeit sein, wenn sie eine spirituell neue Zeit ist, wenn sie die alten spirituellen Verbindungen aufleben lässt. Ohne „Schwestern und Brüder“ keine neue Zeit!

Liebe Schwestern und Brüder, wir kämen auch einen gewaltigen Schritt weiter, wenn wir, wie der heilige Franz von Assisi, nicht nur von Menschen als Schwestern und Brüder reden und fühlen, sondern auch von all den anderen Teilen von Natur und Kosmos um uns.

Unsere Gier hat uns doch die Sklaverei beschert, wo wir vor nichts und niemanden Halt machten, nicht einmal vor der Heiligkeit der Menschen und der Heiligkeit der Erde und der Heiligkeit des Universums. Wir haben doch an allem ein Preisschild geheftet. Die Mutter überfallen und ausgeplündert. Und die Gier? Sie ist nicht besiegt! Sie siegt und siegt und siegt sich tot. Denn wir nehmen immer noch nicht wahr, dass nicht der Mensch der Mittelpunkt des Kosmos ist sondern alles andere auch. Es gibt keine Ersten im Universum! So wenig wie das allerletzte im Universum! Wir aber sehen als vermeintlich Erste der Schöpfung neben uns nur seelenlose Objekte. Ob das nun Tiere, Pflanzen oder Planeten sind.

Ihr lieben Schwestern und Brüder, es gibt gar keine Dinge, die nicht atmen, die mit- und in Wellen leben und darum Seele und Würde haben.

Ist es nun verrückt und behandlungsbedürftig, ja vielleicht mit einer speziellen Impfung zu erreichen, wenn wir beim Anblick von Massentierhaltungen etwas fühlen? Wenn wir etwas nicht sehen knnen! Weggucken! Ist es verrückt, wenn unser Herz einen tiefen Schmerz empfindet, wenn wir unsere Tiere in diese Todesfabriken schicken? Und unsere Kinder mit ihren reinen Herzen nicht zuschauen lassen, wenn wir Tiere am Fließband umbringen?

Kämen wir einen gewaltigen Schritt weiter, wenn wir anerkennen, dass Tiere denselben Schmerz spüren wie wir? Ist das gemeint, wenn es eine neue Achtsamkeit für alles geben muss? Es sind doch alles unsere Schwestern und Brüder! Wir sind ein Teil dieser Erde und sie ist ein Teil von uns.

Ist es verrückt, wenn wir die Millionen und Millionen von Hühnern als unsere Schwestern akzeptieren und ihr Leben genauso ehren wie das unsere? Und da, wo wir immer noch meinen, sie töten zu müssen, ihnen mindestens ein würdevolles Leben ermöglichen. Schreddern geht nicht! Die Diskussin darüber ist schon vom Teufel.

Und ist es verrückt, mit dem heiligen Franz von Assisi sogar Sonne, Mond, Sterne und Erde als unsere Geschwister sehen zu lernen, die sich derselben Schöpferkraft verdanken wie wir?

Auf welch falschen imperialistischen Weg haben wir uns über Jahrzehnte und Jahrhunderte begeben, wenn wir all dem, was wir nicht gleich als weiße Menschen erkannten, alles Geschwisterliche abgesprochen haben?

Eine neue Zeit braucht eine neue tiefgreifende und damit alte radikale, also Wurzelerkenntnis: Wir sind Schwestern und Brüder und mit Schwestern und Brüdern unterwegs.

Wenn wir aber nun Schwestern und Brüder sind, dann sind wir es auch nur deshalb, weil wir eine gemeinsame Mutter haben. Und in dem Augenblick, in dem wir das Geschwisterliche aus unserem Blick und aus unserem Interesse und aus unserer Wirtschaft und unserer Kultur verloren haben, geht auch die kindliche Beziehung zur Mutter Erde und Vater Himmel verloren. Das meint doch der Meister aus Nazareth, dass wir das Urvertrauen zum Vater im Himmel verloren haben. Da sind in unseren Breiten die verfassten Religionen nicht ganz unschuldig dran. Aber das heißt ja nichts. Wir müssen wie Archäologen der Liebe graben und graben und finden unter den Trümmern unserer Distanzkultur die Liebe zur Mutter Erde wieder. Sie ist noch da.
Wenn wir in Krisenzeiten des Miteinanders uns nicht mehr als Brüder und Schwestern sehen können, weil unser Enge und unsere Angst uns den Blick aufeinander vernebelt, dann sollten wir es so machen wie die italienischen Clans, die nach Napoli eilen, alle, alle, weil die Mutter im Sterben liegt und dann am Krankenbett der Mutter Erde neu entdecken, dass sie doch Geschwister sind, Kinder einer Mutter.

Und da geschieht dann etwas ganz Entscheidendes, was uns in dieser Krise von extrem wichtiger Bedeutung sein wird. Wir werden uns erinnern, dass wir alle nur leben, weil wir in unseren ersten Tagen, Wochen, Monaten und Jahren der Mutter ein unbedingtes Vertrauen entgegen gebracht haben. Und von ihrer Liebe gelebt haben. Wir sind Nesthocker! Ohne Vertrauen in uns und ohne Vertrauen in unsere Mutter, später dem Vater, den Geschwister kein Selbstvertrauen, kein dem Partner vertrauen, kein Gottvertrauen. Diese unverzichtbaren drei! Die sind grundlegend für alle Geschwisterlichkeit und alles menschliche Leben auf dieser Erde. Sie bauen auf einander auf wie Baumwurzel, Ast und Blatt. Wo es kein Vertrauen in die Natur mehr gibt, fehlt die Grundlage von allem. Und die Geschwisterlichkeit der Äste wird absterben. Jedes Blatt wird welk. Worauf soll ich denn mein Selbstvertrauen gründen, wenn ich nicht spüre, dass mich das Leben liebt? Mit was will ich denn antreten, wenn der Krebs kommt, um mich zu fressen? Selbstvertrauen? Vertrauen in die Geschwister! Doch das Wichtigste ist das Gottvertrauen! Vertrauen ins Leben!

Das Vertrauen ins Leben ist also die spirituelle Lebenskraft, die wir uns durch alle Kontrollmaßnahmen dieser Welt und ihrer Regierungen nicht nehmen lassen dürfen. Gottvertrauen ist essentiell. Vertrauen ist das Blut der Erde! Auf einander gewiesen sein ist die Entdeckung aller Biodiversität. Ja, Vertrauen ist das Blut der Erde. Aber genau das wird angegriffen, unterminiert, versottet, abgetötet. Unser natürliches Vertrauen in die Natur, Gottvertrauen meinetwegen, Vertrauen in unsere Mutter, die Erde, wird mit amtlichen Gottesvergiftungen der totalen Angst lahmgelegt. Und das Gift wirkt! Allüberall! Und an ihre Stelle legt sich die Macht zu uns ins Bett von Muttervertrauen und hofft, dass wir das Vertrauen, was wir ins Leben haben müssen um zu leben, ohne dass wir es groß bemerken, der Macht und den Mächtigen unter uns schenken. Das ist Missbrauch! Das ist spiritueller Missbrauch! Das ist Vertrauensmissbrauch. Hier säuselt die Schlange Kaar aus dem Dschungelbuch in unsere kindlichen Seelen das neue „Vertraue mir“ ins Ohr und ins Herz! Und Warum? Damit wir das Tiefste, was wir haben, Vertrauens ins mütterliche Vertrauen, unser Gottvertrauen nun auf Mutter Merkel und Vater Bill, auf Big Pharma und seine sattsam bekannte Gier übertragen.

Das könnte den Herren und Damen dieser Welt so passen!

Sie säuseln uns das auf allen Kanälen ins Ohr und es sickert, ob wir wollen oder nicht, in unsere Herzen. Und es ist gut wie der alte Odysseus in der griechischen Mythologie uns da und dort die Ohren zuhalten, damit wir nicht vom Kurs abkommen. Weg von den Lautsprechern! Nachrichten nicht mehr zu hören. Lieber zu den Repräsentanten der Natur zurückzukehren, zu den Pflanzen, den Tieren, den Planeten und Zyklen, Wellen, Ozeanen, Bergen und dort stille werden wie Moses vor dem Dornbusch. Und in der Stille und in unserem Atem spüren, wo das wahre Vertrauen wohnt und wie es uns trägt auch über alle Todesangst hinweg.

Am Ende, Liebe Schwestern und Brüder, sind wir es ja nur, weil wir eine Mutter haben, Und wer nun den Vater, seinen Vater, unseren Vater, den Vater im Himmel in all dem vermisst, und ihn gerne kennenlernen will, diese himmlischen Väter mit ihren unterschiedlichen namenlosen Namen, der frage die Mutter nach dem Vater und wende sich der Mutter zu, liebe sie, verehre sie, pflege sie und sei ihr nahe, geht zu ihr auf die Knie, legt sich auf sie wie ein Kind, lausche und schaut in die Stille des Himmels. Dein himmlischer Vater wird sich melden. Wir sind nicht allein! Niemand ist allein!