16.09.2019 Tagebucheintrag

Jürgen Fliege, Münster

Ich fahre durch meine alte Heimat. Bergisches Land. Keine Heimatgefühle. Eher „Alter Leute Nostalgiegefühle“. Früher war alles besser. Wuppertal, erster Studienort. War mal reichste Stadt Deutschlands. Heute Armenhaus. Mein Termin in Münster ist erst am Abend. Tagsüber gehe ich in Münster zur Lamberti-Kirche und huldige den leeren Käfigen oben am Turm. Da hat die Kirche die Wassenberger Prädikanten nach IS-Methoden vor 500 Jahren öffentlich umgebracht. Weil die Wiedertäufer aus meiner Pfarramtsgegend vom Niederrhein stammen, hänge ich im Geiste auch da oben, bin auch ein Phantast, der an das Gute im Menschen und auf dieser Erde glaubt. Warum sonst schickt uns der liebe Gott einen schwedischen Engel, eine Lucia mit Engelshaar, damit uns ein Licht aufgeht in dunkler Zeit? Eine fremde Frau unterbricht meine Andacht vor den Kirchtürmen... “Ja, das bin ich!“ Ich ahne meistens, was man oder frau so von mir will. Das ist keiner Notiz wert. Aber ihre Antwort: “Ist mir gar nicht aufgefallen, dass sie kein Fernsehen mehr machen. Ich war zwölf Jahre in Australien!“