09.04.2017 Tagebucheintrag

Jürgen Fliege, La Palma

Ich weiß zwar nicht, wann genau die Palmsonntagsprozession durch die Straßen des kleinen Städtchens führt. Muss ich auch nicht. Ich will ja nur die Palmzweige von der Straße aufsammeln, mit denen die fromme Bevölkerung den Einzug in ihr Jerusalem gefeiert hat. Bin ich dann eigentlich schon ein Fetischist oder nur katholisch, wenn ich mir ein Zweiglein mitnehme und in meinen Haus drapiere? Mit siebzig ist mir das noch egaler als vorher. Ich bin nicht geboren nach anderer Meinung selig zu werden. Und erst recht nicht auf sie angewiesen, wie man im Alter glaubt und sein Vertrauen stärkt, dass mein Gott in meiner Nähe ist. Nun liegt ein Zweiglein auf dem Armaturenbrett im Wagen und das andere im Haus. Am Nachmittag werde ich familiär ausgerechnet von denen in ein wissenschaftlich theologisches Kreuzverhör genommen, was denn dran sei am historischen Jesus, die eh alles spirituelle in Bausch und Boden verurteilen und verhöhnen. Ja, wat nu? Erst verhöhnen und dann fragen oder erst fragen und dann verhöhnen? Da fällt mir auf, dass zwischen dem heutigen Halleluja und Hosianna am kommenden Freitag auch nicht viel Zeit vergeht.