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Jürgen Fliege, Feldafing

Ich habe mir den ganzen Tag frei genommen. In groben Zügen weiß ich, worum es geht. Eine Frau hat mich um Hilfe gebeten. Sie kommt aus ihren Panikattacken nicht mehr raus. Vor Jahren habe ich ihr schon einmal geholfen. Jetzt bald zwei Jahrzehnte später beginnt der Kampf von neuem. Ich interessiere mich nicht so sehr für den neusten Schub. Ich suche in den neuen Attacken die alten Muster. Obwohl ich keine Aufzeichnungen mache, erinnere ich mich an das, was sie damals über ihre Geburt erzählte. Sie war ein Kaiserschnittmädchen. Übertragen oder mit dem falschen Rhesusfaktor. Ich weiß es nicht mehr. Ihr Leben hing am seidenen Faden und von der Mutter wurde ihr später erzählt, sie hätte ihr Baby aufgegeben. Da war ihr Grundvertrauen weg. Und das ist es offenbar immer noch. Denn die Attacken kommen immer abends, wenn es Zeit ist, schlafen zu gehen. Sie kann nicht schlafen. Da müsste sie ja ihre Kontrolle aufgeben und sich fallen lassen. Aber eben das kann sie nicht. Wir gehen am See entlang spazieren. Das Wasser wirkt. Einer der wenigen milden Wintertage. Die Sonne scheint noch. Wir machen Pause. In der warmen Sonne schließt sie die Augen. Kein Wind. Ein paar Dutzend Enten auf dem stillen Wasser. „Es ist ein Segen hier zu sitzen“ sagt sie. Sie hat sich in der Nähe einquartiert und wird in dieser Nacht ihren Schlaf finden. Ich bin sicher. Aber das wird nicht reichen. Einmal auf die Schatten schauen reicht nie. Sie verlieren erst ihre Macht, wenn sie langsam langweilig zu werden drohen und man sie anderen gezeigt hat. Ich empfehle ihr, so bald wie möglich zu Andreas Winter zu gehen.

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