10.07.2017 Tagebucheintrag

Jürgen Fliege, Tutzing

Ich bin keiner, der gut mit Geld umgehen kann. Wenigstens nicht hinter dem Komma. Es geht mir so schnell durch die Finger wieder raus, wie es reingekommen ist. Ich verschwende es gerne. Nicht im Luxus, sondern eher in den Notlagen anderer Menschen. Was soll es bei mir im Keller wie bei Dagobert Duck? Und ich habe immer die Hoffnung, dass der liebe Gott mein Finanzminister ist und es schon wieder kommt, wenn ich es einmal wirklich brauchen sollte. Heute gab er mir ein Zeichen vom Himmel, dass er einverstanden ist. Ich war zur Tankstelle gefahren um eine Zeitschrift zu kaufen. Und weil ich da noch ein paar andere Sachen kaufte, die ich problemlos im Kofferraum verstauen wollte, legte ich meine volle Brieftasche aufs Dach und fuhr ein paar Momente später los, ohne zu merken, dass ich gradewegs in die vorübergehende Mittellosigkeit einbog.
Dass das Geld weg war, merkte ich erst einen Tag später, als ich mit der üblichen Suche nach meiner Brieftasche keinen Erfolg hatte. Die Tankstelle hatte auch keine Brieftasche gesehen. Meine Frau durchsuchte das ganze Haus. Kein Erfolg. Statt panisch zu werden bei all dem Verlust an Ausweisen, Karten und Geld, legte ich mich hin und schlief eine Runde nach dem Essen. Später beim Tee auf der Terrasse draußen stapfte auf einmal ein unbekannter Mann in dreckigsten Klamotten, tätowiert und mit einen Piratentuch auf dem Kopf durch unseren Garten. Und als er uns sah, kam er auf uns zu. Meine Brieftasche in seiner Hand. Er hatte sie in den Müllcontainern am Bahnhof in Tutzing gefunden. Beim Herumstochern und Pfandflaschensammeln. Das war so sein dreckiger Job neben Hartz IV. Er schämte sich etwas, mir die schwarze etwas zerlumpte kleine Ledertasche in die Hand zu drücken. Sie sei dreckig, weil sie im Müll gelegen habe. Aber als er sie gesehen habe und all die Ausweise darin mit dem Lichtbild von Fliege, da war ihm klar: Die bringt er zurück. Geld war keines mehr drin. Aber der schwarze Pirat mit seinem dreckigen ehemals weißen Unterhemd ging auf die Suche nach mir. Zwei Stunden später stand er vor mir. Zu allem himmlischen Überfluss kam er nicht aus Tutzing. Gebürtig wie ich aus dem Bergischen Land, mit Knast und anderen Erfahrungen war er zu meinem Engel geworden. Das müssen nicht Männer mit Flügeln sein.