Jürgen Fliege, Feldafing
Da sind wir wieder! Willkommen auf unserer „Alle Jahre wieder“-Reise zu unserem Markenkern, zu unserer Seele! Wie unsere jüdischen Schwestern und Brüder sich einmal im Jahr am liebsten in Jerusalem treffen würden und unsere muslimischen Schwestern und Brüder in Mekka, so treffen wir Christen uns im Betlehemsaal unseres Herzes und unserer Seele, wo auch immer wir in der Welt sind. Das ist eine Art Markenkern des Christentums, dass es eines konkreten Ortes nicht bedarf, um sich (oder Gott) zu finden oder wiederzufinden.
Von einem Jahr habe ich uns daran erinnert, dass das ein universaler Weg ist, der immer in unserer Verletzlichkeit und Schutzlosigkeit endet. Also quasi im Stall, wo mit Kämpfen, Gewalt und Erpressung, Arroganz und Angeberei, neurotischen Spielchen und was auch immer nicht mehr zu rechnen ist. Schutzlosigkeit, Nacktheit ist das Ziel. So konditioniert wie Konrad Lorenz Gänse sind wir geboren und diese Schutzlosigkeit gilt als Muster und Frame unseres Glücks für alle Zeit. Deswegen rufen wir ja in den Schützengräben dieser Welt in größter Not nach der, die uns in dieser Schutzlosigkeit in die Arme nahm: Unsere Mutter! Da war keine Grenze mehr zwischen Mutter und Kind, wie damals als wir eins waren! Und in den Träumen und Phantasien der Sterbenden spielt die Mutter die größte Rolle. Der Anfang ist das Ende. Das Teil ruft das Ganze! Und das Ganze integriert das Teil. Und das Ende ist der Anfang! Und jedes Jahr um diese Zeit, in der die Kälte draußen den Weg in die innere GEMÜTlichkeit bahnen hilft, gehen wir wie in einem einzustudierenden Mustergang intuitiv wie Zugvögel des Glücks den Weg unseres Lebens.
Dazu müssen wir die Rüstungen ablegen. Die sind bekannt. Das sagen alle. Das ist ja auch einfach, die Waffen abzulegen, mit denen man andere bekämpft hat und bekämpfen kann. Aber es gibt eben auch die inneren Feinde, die uns nach dem Leben trachten. Zur Rüstung gehören eben auch die schützenden Kleider, die wir tragen. Denn Kleider machen bekanntlich Leute. Und diese Kleider sind immer auf dem Lebensweg auf Maß gefertigt worden. Sie sitzen wie angegossen. Und so kommt es nicht von ungefähr, dass man sie nicht als Kleider erkennt und so unabsichtlich zum Markenkern Seele zählt. Wie angewachsen. Das sind sie aber nicht.
Wenn ich auch nicht diese Kleider genau beschreiben kann, kann ich wohl sagen, welchen Typs sie oft sind, so wie man nicht weiß wie ein Mantel genau aussieht ihn aber doch als Mantel erkennt.
Die alten Mystiker nannten zwei dieser universalen Mantelschnitte: Superbia, also Übermut, Überheblichkeit, Arroganz, alles Unterformen derselben Krankheit, die den Weg der Liebe verlassen hat. Und auf der anderen Seite: Desperation, Verzweiflung, Depression, Scham und Fremdscham. Vom Weg der Liebe Abgerutschte. Sie beide sitzen wie angegossen um unsere Seele und machen das Leben nur scheinbar leicht, aber in Wirklichkeit schwer. Schaut sie euch an! Auf dem Weg in die Schutzhütte des Lebens, müsst ihr sie ablegen, sonst erreicht ihr ihre Wärme und Gemütlichkeit und Seelenwärme nicht. Ihr wollt doch das Kind finden! Nicht nur das von Betlehem, sondern das Kind in Euch! Es ist ein Geschwisterkind vom Betlehemkind, das immer auf dem Rücken liegend abgebildet wird, schutzlos und offen für alles, was kommt. Wenigstens für eine Zeit. Schaut sie euch an! Und wenn ihr es alleine nicht könnt, haktet euch fest bei denen die euch lieben.
Beim Anschauen dieser Kleider, die über die Jahre eine Art Hornhaut der Seele gebildet haben, durch die die Liebe es schwer hat zu scheinen und zu wirken, wird euch irgendwann auffallen, dass es nicht zwei Kleider sind. Sie sind zusammengenäht. Sie sind ein und dasselbe Kleid. Von außen gesehen ist es die von anderen erlebte Überheblichkeit, das schnelle Urteil über andere, die Arroganz, und von innen spürt man die seidendünne verletzliche Fläche der doch zu schützenden Scham als Fremdscham und Verzweiflung. Außen rau, innen weich! Ein gefütterter Mantel, ein Werkzeug! Schaut sie euch an! Nehmt euch Zeit! Es sind keine bösen Kleider. Es sind Schutzmäntel der Seele, die mal nötig waren, um zu überleben. Aber sie sind oft übertragen, nicht immer nötig, vergiften das Klima und die Liebe. Sie waren nötig. Ja! Oft in Kindertagen. Jetzt sind sie es oft nicht mehr. Schaut sie euch an. Welche alten schmerzhaften Geschichten erzählen sie? Es tut weh. Aber Häutungen als Weg in die Schutzlosigkeit des Glücks tun immer auch weh und lassen Tränen fließen. Meint ihr denn die Mütter weinen nicht, wenn sie uns gebären?
Auf diesem Weg sehe ich uns. Und diesen Weg weise ich uns, wenn ich denn überhaupt einen weg des Heils weiß. Wir sehen uns zwar nicht nächsten Jahr in Jerusalem, aber als Schwester und Bruder überall auf der Welt. Komm wir singen ein altes Lied, das uns zusammenhält, dass wir uns an uns wärmen können: „Ich steh an deiner Krippe hier oh Jesu du mein Leben!“
Vergesst die Lieder nicht!
Gesegnete Reise!
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