Mut machen
Wenn es sein muss, geht Brigitte Schütz an die Öffentlichkeit. „Sonst ändert sich ja nichts“, sagt sie. Die 59-Jährige ist in der allgemeinen Sozialberatung des Caritasverbands Gießen tätig. Sie begleitet Menschen in ihrem Kampf zu überleben, sie sieht wie Menschen, die Bürgergeld beziehen, sich Essen nicht mehr leisten können, sie beobachtet, dass bei der Umstellung auf Online zahlreiche Menschen vergessen werden. Es fühlt sich für sie falsch an, wenn man diese Probleme nicht öffentlich macht, um Politiker und Entscheidungsträger wie Krankenkassen zu sensibilisieren. „Sonst füllen wir ja nur Anträge aus“, sagt sie. „Da ist ein Systemfehler drin.“
Ein Helfersyndrom hat sie nicht, das sagt sie gleich vorweg. „Mir ist es wichtig, Menschen in Krisensituationen zu unterstützen.“
Die schwer kranke Janina D. beispielsweise kann wöchentlich bei ihr anrufen und bekommt stets ein offenes Ohr. Die 43-Jährige meldet sich einfach und sagt: Frau Schütz, haben sie einen Moment Zeit. Und die Diplom-Sozialarbeiterin nimmt sich die Zeit, die D. braucht, um sich Probleme von der Seele zu reden. Schütz ist examinierte Kinderkrankenschwester. Sie kennt sich mit Pflege aus. Und wenn D. ihr ihr Leid klagt, versteht sie sie besser als viele andere. „Sie hat meine Not und Situation erkannt“, sagt D. anerkennend. Die 43-Jährige kann das Haus krankheitsbedingt seit einigen Jahren kaum mehr verlassen. „Sie ist vollkommen isoliert“, so Schütz. „Ich bin immer im engen Kontakt. Auch, um ihr Mut zu geben.“ Zunächst half D.s Familie so gut sie konnte. Irgendwann konnte sie nicht mehr - zumindest nicht finanziell. Seitdem hilft Schütz. Ihr Ziel ist es, D. über den Berg zu begleiten, „dass sie wieder am Leben teilhaben kann“. Aber der Weg ist nicht leicht.
Als endlich Licht am Horizont und eine wirksame Therapie für D. gefunden war, sagte die Krankenkasse: Nein, das bezahlen wir nicht. Schütz und D. legten Widerspruch ein. Doch die Krankenkasse blieb dabei: „Das ist nicht im Katalog und was nicht im Katalog ist, wird nicht geleistet.“ Weil Schütz ihre Klienten nicht im Stich lässt und D. nicht den Mut verlieren soll, fand sie - wie es ihre Art ist - eine Lösung: Die Stiftung Fliege macht die Therapie jetzt eine zeitlang möglich. An der Krankenkasse bleibt Schütz aber dran. „Sonst ändert sich ja nichts.“
Von Victoria Weber
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