Jürgen Fliege, Emmendingen
Erklären kann ich es nicht. Aber ob in einem schwerkranken Menschen das Lebenslicht vom Auslöschen bedroht ist oder es am Ende eines Tunnels noch scheint, spüre ich manchmal. Ich kann es aber nicht erwarten. Heute fahre ich voll Zuversicht weit weit in ein Krankenhaus. Und als mir der Patient schon vor der Klinik, die ihn gestern erst operiert hat, entgegenkommt, muss ich leise nach oben hin dankbar Signal abgeben. Ich „wusste“ es. Die Verbindung steht. Und weil das so ist, erzählt mir der „ungläubige“ ältere Mann, dass er zum ersten Mal in seinem erwachsenen Leben zum Stillwerden in eine Kirche gegangen ist. Und da fliesen ein paar Tränen der Dankbarkeit durch sein durchfurchtes, gegerbtes Gesicht und seine innere Sonne kommt durch die Wolken. Er kann auch nicht verstehen, warum ich fast 1000 Kilometer gefahren bin, um bei ihm zu sein. Die jüdische Dichterin Mascha Kaléko weiß, dass man bei aller Rationalität des Lebens im Grunde auf Wunder setzen muss. Sonst sind wir verloren. Da klingelt das Handy und mein Freund Thies (Dr. Thiesbonenkamp) ist am Apparat, sagt, dass er zu unserer Stiftungssitzung nicht kommen kann, weil er am Bett seines sterbenden Bruders bleiben möchte. Und ich spüre, dass er da bleiben muss, weil sein Bruder gehen wird. Es ist eine heilige Zeit für beide.
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