„Diese Familien müssen so sehr kämpfen.“
Kirche kann helfen. Davon ist Manuela Michaelis überzeugt. Die 45-Jährige ist Pfarrerin in Berlin-Reinickendorf. Rund 50 Prozent aller Kinder in ihrem Kiez beziehen Transferleistungen. „Viele Familien haben es schwer“, sagt sie. Viele brauchen soziale Beratung, knapp 100 Haushalte kommen regelmäßig zur Ausgabestelle von Laib & Seele, andernorts bekannt unter dem Namen die „Tafel“. Michaelis sagt, in der Evangelischen Evangeliums-Kirchengemeinde könne Kirche durch Taten wirken.
Als Nicole U. zu ihr kam und um Hilfe bat, war Michaelis daher sofort dazu bereit. „Das ist für mich gelebte Nächstenliebe.“
U.s Tochter hat einen seltenen Gendefekt, ist geistig und körperlich schwer behindert und leidet unter epileptischen Anfällen.
Michaelis hat die kleine Melissa nach ihrer Geburt getauft. Sie kennt die Familie seit Jahren. Sie weiß, dass Nicole U. alleinerziehend ist und ihre Tochter alleine pflegt. Sie bewundert U. für ihre positive Einstellung zum Leben und für die Kraft, die sie aufbringt, um Melissa Gutes zu tun.
Das Mädchen ist sieben Jahre alt und mittlerweile nicht mehr klein und leicht. Ihrer Mutter fällt es schwer, sie in ein Auto zu heben, um sie zur Therapie zu fahren. Die Lösung klingt ganz einfach: Sie braucht ein Auto in das Melissas Rollstuhl passt. Doch so ein Auto kostet über 40.000 Euro. Michaelis erkannte die Not und half der Familie, Geld zu sammeln.
U. war vor ihrem Besuch bei Michaelis keineswegs untätig gewesen. Sie hatte bereits über 100 Briefe an Stiftungen geschrieben. Das hat die Pfarrerin einmal mehr beeindruckt. Michaelis sagt, in zwei Fällen habe U. ihre Unterstützung benötigt. Also schrieb Michaelis zwei Briefe, einen davon an die Stiftung Fliege. Das sei für sie kein großer Akt gewesen, sondern „die Möglichkeit einer Familie zu helfen“. Für U. machte es einen großen Unterschied.
Michaelis hat einen Cousin, der ebenfalls ein behindertes Kind hatte. Er musste ein Auto, wie U. es sich nun vorstellt, selbst bezahlen; er hatte nicht die Kraft 118 Anträge zu stellen, um am Ende 14 Zusagen zu bekommen. Den Kredit für das Auto zahle er heute noch ab, obwohl sein Kind bereits vor zwei Jahren gestorben sei. „Diese Familien müssen so sehr kämpfen“, sagt Michaelis. Die brauchen Hilfe. Die Stiftung Fliege gab 10.000 Euro. Jetzt steht die Finanzierung des Autos. Doch nun ist Geduld gefragt. Das Fahrzeug wird erst in einem Jahr geliefert.
Von Victoria Weber
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