Ein Grab für „Castello“
Wenn im Büro von Pastor Ulrich Klein die Jalousie hochgezogen ist, dann ist er da. Das wissen die Menschen in Bremen-Blumenthal und kommen. „Der Ortsteil hat einen sehr schönen Namen aber viele Probleme“, sagt der 62-Jährige. Wer bei dem Pastor der Bremischen Evangelischen Kirche klopft, kann sicher sein, dass ihm geholfen wird. „Castello“ - so stellte er sich vor und wurde von allen so genannt - kam regelmäßig. Klein plauderte mit ihm, gab ihm fünf Euro und in der Weihnachtszeit auch noch eine Tüte Plätzchen. Begegneten sie sich beim Einkaufen, grüßte der Pastor den Polen in dessen Heimatsprache und machte ihn einen kurzen Moment lang glücklich. Als der Obdachlose im Sommer ermordet wurde, erreichte die Nachricht bald auch den Pastor. Der beschloss, „Castello“ jetzt nicht hängen zu lassen. Der Obdachlose hatte keine Angehörigen, kein Geld. Klein organisierte ihm eine würdevolle Beisetzung auf dem Reformierten Friedhof der Evangelischen Kirchengemeinde Blumenthal und lud dazu die übrigen Obdachlosen Blumenthals ein, mit denen er „Castello“ gesehen hatte.
Pastor Ulrich Klein sagt: „Unser Schwerpunkt ist, dass wir uns für Menschen engagieren, die es im Leben schwer haben.“ Er versuche, Dinge möglich zu machen. Alleinerziehende sollen mit ihren Kindern auch Ferien machen können, Obdachlose bekommen einmal in der Woche ein warmes Essen und Kinder vernünftiges Schulmaterial. Er kümmert sich um seine Gemeindeglieder von der Wiege bis zur Bahre - und das vielleicht etwas mehr als manch anderer Kollege. Als er vor zwanzig Jahren nach Blumenthal kam, sorgte er recht schnell dafür, dass Kinder, die im Mutterbauch oder bei der Geburt gestorben waren, kostenfrei auf dem Friedhof seiner Gemeinde begraben werden können. 2015 beschloss er, Menschen wie „Castello“ auf ihrem letzten Weg nicht irgendwo in Bremen zu begleiten. Sie sollten ihre letzte Ruhestätte da finden, wo sie gelebt hatten: in Blumenthal. Wer von Amtswegen bestattet wird, weil sich keine Angehörigen finden ließen, hat selten so ein Glück. Klein richtete auf seinem Friedhof ein Sozialbestattungsfeld ein. „Castello“ ist nicht der erste dort und wird auch nicht der letzte sein. „Es gibt viele Menschen, die vereinsamt sterben und für die sich keiner verantwortlich fühlt“, so Klein. Und es werden immer mehr. „Die Verbundenheit von Menschen innerhalb der Familien hat nachgelassen“, stellt er fest. Anonyme Gräber gibt es auf seinem Friedhof nicht. Die Namen der einsam Verstorbenen stehen auf zwei Stelen. Jetzt ist dort der Platz ausgegangen. Mit Hilfe der Stiftung Fliege kann eine dritte Stele angeschafft, der Friedhofsgärtner bezahlt werden, der sich um die Urnengräber kümmert, und Pastor Ulrich Klein kann weiteren einsamen Menschen ein würdevolles Begräbnis bescheren.
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