13.09.2016 Tagebucheintrag

Jürgen Fliege, Berlin

Wir ziehen um. Alles passt in unseren VW-Bus. Eines unserer Kinder geht nach Berlin, wo es wohl cooler ist als in Bayern. Und am Abend stehe ich mal wieder auf einer Treppenleiter, um in einer fremden Wohnung neue Vorhänge anzubringen. Die Wand bröckelt unter dem Bohrer vor sich hin. Berlin ist morsch und nicht cool. Da steh ich nun seit bald 40 Jahren und bohre. Hört das denn nie auf, bevor es mit mir ganz aufhört? Die ersten Vorhänge schraubte ich für meine erste Frau an eine Berliner Wand, da waren wir noch in den siebziger Jahren. Dann zogen wir als Familie nach Berlin und ich schraubte wieder. Dann nach Bayern. Und dann zogen meine erwachsenen Töchter nach Berlin, und wieder sah man mich am Prenzlauer Berg auf der Leiter. Und jetzt eine unserer Jüngsten in Reinickendorf. Beim Bohren merke ich, dass ich müde geworden bin, aber nicht die innere Kraft finde, Jüngere auf die Leiter zu schicken.
Angedachtes Treffen mit Stiftung und TV-Team lasse ich ausfallen. Abends fahren wir durch die Stadt, um ein Hotelbett zu finden. Belegt! Erst beim x-ten Mal haben wir Glück. Hier in diesem Hause saß ich mal vor zig Jahren und lauschte dem alten Simon Wiesenthal, dem Nazijäger. Manchmal sieht man sich nur einmal…