06.04.2019 Tagebucheintrag

Jürgen Fliege, Kampot

Ich treffe solche Leute weltweit. Als wenn man sich irgendwie magnetisch anzieht. Vibrations! Missbrauchte erkennen sich. Lange rede ich mit Stephan. Ich treffe ihn in einem der vielen Straßencafés in der Altstadt. Er fällt auf, weil hinter ihm eine fast ein Meter lange Sauerstoffflasche steht und er dann und wann diesen Stoff mit einem Schlauch einatmen muss, um nicht zu ersticken. Ich sah, wie er die Flasche auf seinem Motorrad kunstgerecht montiert. Ein hagerer alter Mann – mein Alter? –, die Arme tätowiert. Graues langes Haar, grauer Bart, gütige Augen, Australier. Die jungen Leute um ihn herum achten ihn. Wahrscheinlich versteht er mehr von Gras, Pilzen und Co als die Jungen alle miteinander. Ein Lebenslehrer also. Belesen, gebildet, missbraucht von der hohen Geistlichkeit Australiens, verhaftet, gesessen, ausgespuckt und überlebt. Er hat etwas von meinem Jesusbild, wie er da hager und aufrecht sitzt, die Beine auf dem Sessel unter seinem Körper geschlagen, und auferstanden, auferstanden ist er in seinem Leben offenbar nicht nur einmal. Ich lade ihn ein, nach La Palma zu kommen. Da ist die Luft besser. Ich habe den Eindruck, er wird kommen.