22.06.2018 Tagebucheintrag

Jürgen Fliege, Berlin

Wie ist das eigentlich, wenn man kein Promi mehr ist? Im Grunde war ich es mein ganzes Leben. Zuerst als Pfarrer und dann sowieso. Man konnte die soziale Treppe weit runter gehen und war immer noch wer. Heute sitze ich als No Name in einer Art Stuhllager einer höheren Bildungsanstalt aus dem späten 19. Jahrhundert und erlebe mit, wie man ein Abiturzeugnis für unsere andere Tochter nach Berliner Art verleiht. Furchtbar! Die Schulleitung ist nicht da. Eine Lehrerin singt stattdessen oder so ihre Standartarie und die Klassenlehrerin referiert über Literatur und Zukunft und dass das ganze „Hier und jetzt“ Theater Scheiße sei. Dann Zeugnisübergabe, dann Foto, dann Ende. Abends dann Luftschlangen, Kästen Bier im Nebenraum und Buletten im Klassenzimmer. Und „Hugo“ fertig in Flaschen. Dem Lieben Gott, der ja als Sozialabsteiger vom Himmel auf die Erde gestiegen ist, hätte es nichts ausgemacht. Mir schon. Bin noch weit von ihm entfernt.