31.07.2017 Tagebucheintrag

Jürgen Fliege, Feldafing

Es ist ein langes Taufgespräch. Das kleine Mädchen, das getauft werden soll, ist im Hort und ich sitze mit den Eltern stundenlang zusammen. Sie wollen alles wissen. Warum, wozu, was soll das, Taufen? Und so wandern wir durch die Jahrtausende, sehen uns aus der heutigen Sicht die merkwürdigsten Aufnahmerituale an. Vom Kinderopfer der Erstgeburt bis zur Beschneidung als  symbolischer Rest solch blutiger Bräuche. Und das Kontinuum ist immer: Schutzsuche! Was bietet man der Gottheit an, um die Kinder schützen zu lassen? Was macht das gute Gefühl, dass die Kinder geschützt sind? Was ist gut gegen Helikoptereltern? Und wie kompensiert man das unendliche Schuldgefühl, dass den Kindern etwas zustoßen könnte? Mir wird mit den Jahren immer deutlicher, in welch magischer Tiefe solche Rituale in uns wirken.