20.04.2017 Tagebucheintrag

Jürgen Fliege, La Palma

Für mich kein Datum mehr, sag ich mir mit Karl Kraus. Ich lese viel. Der liebe Gott fügt wieder einmal. Ich lese auch die Diagnose, dass mir vor knapp zwanzig Jahren bei einem spektakulären Autounfall mit Totalschaden der Kopf ein bisschen abgerissen wurde. Oder wenigsten ein paar Bänder, die ihn auf meinem Hals halten sollten. Das hat in all den Jahren kein Arzt  gemerkt, wenn ich von Schwindel erzählte und sie in den Ohren nach den Ursachen suchten. Da musste ich erst jetzt in den MRT steigen und es mit eigenen Augen sehen. Jetzt wird alles darauf ankommen, die Halsmuskulatur zu stärken. Dafür nehm ich Walter Packis Therapie. Macht mir das nun Angst? Nein! Man wird im Alter mehr und mehr zum Patienten. Wenn man so will. Wenn man so nicht will, wird man zum Schüler, der lernen will mit dem, was das Leben einem präsentiert, fertig zu werden. Also lese ich die neue Biografie über Moshe Feldenkrais zu Ende. Leben ist lernen! Unbedingt lesen! Und als Bettlektüre lese ich von Hans Fallada: „Jeder stirbt für sich allein!“ In seiner Biografie las ich, dass sein geliebtes Anwesen nördlich von Berlin auf den Tag genau 100 Jahre vor meiner Geburt ins Kataster eingetragen wurde. Jetzt weiß ich, warum ich vor bald dreißig Jahren nach dem Fall der Mauer diesem Haus verfiel, ohne zu wissen, wessen Geschichte es beherbergte.