01.11.2016 Tagebucheintrag

Jürgen Fliege, La Palma

Weit von zuhause erlebe ich dieses weltumspannende katholische System. Allerheiligen gibt es auch hier, 4000 Kilometer von zuhause entfernt, auf dem Friedhof. Es geht zu den Toten, zu Müttern und Vätern, zu den Liebsten und den verlorenen Kindern. Und wenn ich mir ansehe, wie groß der Blumenschmuck auf den Gräbern hier ist, dann ist es einmal mehr ein Zeichen dafür, dass die Toten in uns nicht tot sind. Sie haben ihren Platz. Sie sind der Anker, auf den wir hoffen. Sie sind die Vorausgegangenen, die uns die Wohnung bereiten. Dabei fällt mir auf, wie wenig ich an den Gräbern meiner Liebsten stehe. Erst recht nicht im kalten Novembernebel des Bergischen Landes. Ist das wichtig, dass man seine Gefühle und Erinnerungen auch auslebt und sie nicht nur im Herzen trägt, sondern unter die Füße nimmt und Blumen kauft? Wie wichtig ist ein Ring für Eheleute? Und wie wichtig sind geschmückte Gräber für die Verbindung zwischen den Toten und Lebenden? Ich schau mir das Ganze gerne aus einer vorweggenommenen Perspektive an. Da liege ich quasi tot unter der Erde und sehe mir von unten  an, wer kommt. Und dann erst rührt es mich und ich spüre, dass mein Vater und meine Mutter sich freuen würden, wenn ich wieder einmal käme, so richtig, nicht nur mit den Gedanken. Ich werde mich ja auch über meine Töchter freuen.